Diese Frage habe ich in der letzten Zeit mehrfach gehört. Auch ich habe am Anfang nicht verstanden warum man an einem Boot, auch wenn es neu ist wie escape, permanent Reparaturen und Wartungsarbeiten durchführen muß. Man würde doch davon ausgehen, dass man wie bei einem neu gekauften Auto in den erste zwei Jahren erst einmal nichts damit zu tun hat. Hier einige der Gründe:
- Extreme Belastungen
Ein Segelyacht ist permanent den Elementen ausgesetzt. Wind, Salzwasser, UV-Licht und die hohen mechanischen Belastungen führen dazu, dass Teile häufig kaputtgehen, bzw. frühzeitig ersetzt werden müssen. Beispielsweise bei unserer letzten Ozeanpassage von der Chesapeake Bay in die Karibik musst escape Einiges mitmachen. Der Bug knallte permanent in die Wellen, das Boot wurde kontinuierlich von Salzwasser überflutet, Segel und Rigg waren hohem Druck aussetzt. Hier wirken enorme Kräfte auf so ein Boot. - Fertigung
Die meisten Segelyachten werden in Kleinserien gefertigt. Von der CNB66 wurden vor escape 10 Boote gebaut. Der Herstellungsprozess lässt sich nicht mit dem eines Autos vergleichen, was1000fach standardisiert vom Fließband rollt. Abweichungen können vorkommen. - Komplexizität
Eine Segelyacht wie escape ist nicht nur ein Fortbewegungsmittel, was die Analogie zum Auto zulassen würde, sondern auch gleichzeitig ein voll ausgestattetes Appartement mit allem Komfort, was zusätzlich den bereits oben genannten Belastungen standhalten muss. Es gibt eine Vielzahl an Komponenten, beispielsweise sind im ganzen Boot mehr als 20 Pumpen eingebaut. Da liegt es nahe, dass in diesem komplizierten System öfter mal etwas kaputt gehen kann. - Ressourcen
escape stellt mittels Generator ihren eigenen Strom her. Zur Herstellung von Trinkwasser haben wir einen Wassermacher, eine Meerwasserentsalzungsanlage in Kompaktform, die mit Strom aus dem Generator betrieben wird. Dies sind empfindliche Systeme, die regelmassig überprüft werden müssen. Ein häufiges Problem sind Seegras oder andere Verschmutzungen in den Filtern. Darum müssen diese entsprechend oft ausgetauscht bzw. gereinigt werden. - Gebrauchsspuren
Wenn man zu Hause eine Schublade offen lässt sieht das nicht schön aus, aber sie geht davon nicht kaputt. Wenn man auf dem Boot eine Schublade nicht richtig schliesst bevor man segelt, fliegen sowohl die Schublade als auch ihr Inhalt quer durch das ganze Boot, was entsprechenden Schaden anrichtet. Somit fallen immer wieder Reparaturen an. Auf escape sind natürlich nur 50% der Crew für diese unschönen Gebrauchsspuren verantwortlich und werden von den anderen 50% unter Androhung drakonischer Strafen ständig ermahnt keine weiteren Schäden zu verursachen🙄. - Wartungsintervalle
Dadurch, dass escape immer unterwegs ist, sind auch die Wartungsintervalle der Systeme schneller erreicht. Der Motor soll beispielsweise laut Herstellerempfehlung alle 400 Stunden eine professionelle Inspektion erhalten, diese ist bei escape jetzt wieder fällig. - Pflegezustand
Der Skipper setzt alles daran „sein Baby“ im bestmöglichen Zustand zu halten. Dafür arbeitet er hart. Sicherlich kann man darüber diskutieren, wieviel Aufwand man hier betreiben möchte. Dies muss jeder Skipper für sich entscheiden. Bei escape ist es ja auch so eine Art „Beschäftigungstheraphie“😉
Somit stehen jetzt wieder einige Arbeiten an. Einen Teil erledigt der Skipper selber wie beispielsweise die Reparatur unserer Ankerkette. Die ersten Glieder der Kette aus feuerverzinktem Stahl sind verschlissen. Sie müssen entfernt werden. Sonst besteht die Gefahr, dass die Kette irgendwann reisst, während escape vor Anker liegt und das Boot auf und davon treibt.



Auch das Beiboot wird wieder einmal einer ausgiebige Reinigung unterzogen.


Außerdem arbeiten wir mit verschiedenen Servicefirmen, die sich im Laufe der Woche auf escape ein Stelldichein geben
- Wartung von Motor- und Generator
MPS Antigua - Neues Softwareupdate für den Wassermacher
Watermaker Services - Service und Auffüllen der Klimaanlage
Azero Antigua - Rigg-Check
Antigua Rigging
Der Skipper überprüft selber regelmässig das Rigg. Doch nach den Belastungen der letzten Passage möchten wir noch einmal eine Bestätigung durch die Profis haben, dass am Mast und den damit verbundenen Elementen alles in Ordnung ist. Beim professionellen Rigg-Check wird mit zwei Hydraulikzylindern gemessen, welche Kräfte aktuell auf das Rigg wirken und ob diese noch mit den Vorgaben des Herstellers übereinstimmen. Außerdem wird alles fotografisch dokumentiert.
Anfangs muss ich mich noch mit dem karibischen Arbeitsstil anfreunden. Eine konkrete Terminvereinbarung ist in den meisten Fällen nicht möglich, maximal einen Tag vorher kann man mir sagen wann die jeweiligen Techniker kommen. Das macht es schwierig die verschiedene Servicefirmen zu koordinieren, die nicht gleichzeitig auf dem Boot arbeiten können. Wenn dann morgens um 9.00h noch niemand da ist, will der Skipper, dass ich alle abtelefoniere, wann sie denn endlich kommen😅. Aber am Ende klappt alles sehr gut😊. In nur einer Woche sind alle externen Arbeiten erledigt und wir können Einiges auf unserer To-Do Liste abhaken💪.
Fazit
Dies war eine kleiner Einblicke in das Thema „Bootsarbeiten“. Der alte Fahrtensegler-Spruch „Man repariert sich um die Welt“ trifft es schon ganz gut. zu. Lasst uns wissen, wenn Ihr Fragen dazu habt. Für die Segler unter unseren Lesern: Falls Ihr hier etwas ergänzen oder Eure eigenen Blogposts zum Thema verlinken wollt freue ich mich.
Liebe Annemarie,
das ist interessant und spannend! Jetzt kann ich als „Unwissende“ besser nachvollziehen, wieso so viel anfällt. Da gibt es ja jede Menge, was beachtet werden muss… Und ja, das Boot ist so gesehen viel stärker den Elementen ausgesetzt als beispielsweise ein Auto. Wenn ich lese, was alles zusammenspielt, wundert es einen nicht mehr, dass man sich „um die Welt repariert“… Diesen Satz finde ich immer noch grandios 😉
Liebe Grüße
Kasia
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Danke für dein Feedback😊, hoffen wir mal dass der Kapitän der INVIA Recht hat und wir in den nächsten Jahren nicht so viel reparieren müssen.
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Viel Glueck bei den notwendigen Reparaturen.
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Dankeschön 😊
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Keine Edelstahl Ankerkette? Ich weiss, manche Edelstähle sind für warmes Salzwasser nicht geeignet.
Spannend wird es, wenn manche Teile nicht als Ersatzteil zu bekommen sind: um den quietschenden Fallumlenker auszubauen, erstmal die (angenietete) Klemme demontieren, dann feststellen, dass es das komplette Teil nicht gibt, gut Rolle ausbauen (bohren), ausgeschlagenen Lagersitz aufbohren, Gleitlager bestellen, alles wieder zusammenbauen, einbauen, sich auf die Schulter klopfen…
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👍
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💪Hört sich nach Kreativität und viel Arbeit an…
Bzgl. der Ankerkette hatten wir auf dem vorigen Boot Edelstahl waren damit aber auch nicht 100% zufrieden und haben dann jetzt die genommen die werksseitig vorgesehen war. Vielleicht wechseln wir beim nächsten Mal wieder….
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Kurzweilig zu lesen, aber in mancherlei Hinsicht wohl eher weniger repräsentativ für die Schiffe „normaler“ Blauwassersegler. Auch bezieht sich das „um die Welt reparieren“ meiner bescheidenen Meinung nach eher auf Situationen und Vorfälle, bei denen nicht für jede Kleinigkeit ein Serviceunternehmen angerufen werden kann und man selbst eine Lösung finden muss (z.B. http://sy-samai.de/2020/08/25/wie-bekomme-ich-blos-das-kuttersegel-wieder-flott/). 😉
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Vielen Dank für Deinen Beitrag. Schön dass Du etwas aus Eurer Blauwasser Praxis ergänzt hast. Verglichen mit Eurem Törn machen wir ja auch eher so eine Art “Karibische Kaffeefahrt”😃.
Das mit den Servicefirmen wird bei uns auch weniger werden wenn wir in abgelegenere Gebiete kommen und aus der Garantiephase ‘raus sind.
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Sehr schön geschrieben, und erstaunlich emotionslos…. Ich könnte jetzt noch ergänzen: Am wenigsten anfällig für Reparaturen ist wohl ein gut geführtes 2 Jahre altes Schiff. Nach 2 Jahren hat man idR. all die diversen Schlampereien, pardon Fehler der Werft oder der einzelnen Komponenten gefunden und beseitigt. Dann beginnt der ganz normale Wartungs- und Reparaturwahnsinn.
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Danke😊Das hört sich doch gut an, escape wird nächsten Monat zwei Jahre alt. Das heisst jetzt kommt die beste Zeit.
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vielen lieben Dank für die tolle Erklärung was da so an Reparaturen anfallen können. Als Laie macht man sich da überhaupt keine Gedanken woher auch !!!
Ich dachte mir schon, ein neues Boot dann hast du erstmal Ruhe ! Ich habe aber trotzdem noch eine blöde Frage ! Gibt es sowas ähnliches wie einen TÜV ? oder kann jemand auf solche Reperaturen einfach verzichten ? Ist ja auch eine Sache des Geldes wobei ich hier natürlich auch keinerlei Vorstellen habe was so ein Kundendienst ( bezeichne ich mal so ) kostet ?
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Hallo Manni, interessanter Punkt mit dem TÜV. Soweit ich weiß unterliegen private Boote keiner generellen Kontrolle. Lediglich wenn man zahlende Gäste mitnimmt oder das Boot vermietet muss man bestimmte Auflagen erfüllen z.B. für die Sicherheitsausstattung an Bord. Auch wenn man an Regatten oder Rallies teilnimmt werden manchmal bestimmte Auflagen gefordert. Als wir beispielsweise die Atlantiküberquerung mit der ARC gemacht haben, hat der Veranstalter rechtzeitig auf jedes Boot einen Sicherheitsinspektor geschickt, der überprüft hat ob Deine Sicherheitsausrüstung in Ordnung ist. Aber natürlich prüft der auch nicht ob Dein Motor in Ordnung ist oder Dein Rigg einen Mangel hat. Das liegt in der Verantwortung jedes Skippers.
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ok habe jetzt alles verstanden ! Ist schon ein vielseitiges Thema !!
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